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Hunters Zorn

Die Wächter von Sisong, Bd. 4

  • Hunters Zorn

    ISBN: 978-3969668283

    12,99 

    Kein Ausweis von Umsatzsteuer, da Kleinunternehmer gemäß § 19 UStG

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  • Die Welt und die Zeit schienen stillzustehen. Als befänden sie sich in einem Vakuum, hatte alles um sie herum aufgehört zu existieren. Alles, außer Hunters Augen. Peggy konnte an nichts anderes denken, keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wunderte sich nicht einmal, dass sie selbst im Halbdunkel der Straßenbeleuchtung dieses intensive, leuchtende Jadegrün deutlich erkennen konnte. Wie in Zeitlupe nahm sie wahr, dass sich Hunters Mund auf ihren senkte, hungrig, ungestüm, sehnsuchtsvoll. Im ersten Augenblick wollte sie einfach nachgeben, die Leere in ihrem Kopf annehmen, nur noch fühlen und genießen, dass sie endlich in den Armen des Mannes lag, den sie liebte.
    Doch mit etwas Verzögerung setzte ihr Verstand wieder ein und mit ihm erwachten die Erinnerungen an das, was Hunter ihr beim Abschied gesagt und wie weh er ihr damit getan hatte. Auch wenn es sich noch so gut anfühlte, konnte sie sich jetzt unmöglich widerspruchslos fügen und so tun, als hätte es diese Zurückweisung nie gegeben. Sie legte die Hände auf Hunters Brust, schob sich mit aller Kraft von ihm fort und unterbrach so den Kuss, bevor er richtig begonnen hatte.
    »Stopp!« Ihre Stimme klang entschlossener, als sie sich fühlte, doch gerade das verlieh ihr neue Energie. In dem Maß, in dem sie wieder klarer denken konnte, wuchs ihr Ärger und steigerte sich rasch zum Zorn. »Was fällt dir eigentlich ein?«, fauchte sie Hunter an. »Du kannst doch nicht einfach hier auftauchen und plötzlich so tun, als würden wir zusammengehören. Du warst es doch, der fortgegangen ist, etwas von verschiedenen Welten gefaselt hat und uns keine Chance geben wollte, nicht einmal für eine einzige Nacht. Erinnerst du dich? Wie kannst du jetzt annehmen, dass du nur bei mir aufzukreuzen brauchst und da weitermachen kannst, wo du vor einigen Wochen aufgehört hast? Denkst du, ich bin dein Spielzeug? Findest du nicht, dass du mir eine Erklärung für dein Verhalten schuldig bist? Und selbst wenn ich die für plausibel halte, kann ich das, was passiert ist, nicht einfach ausblenden.«
    »Eine Erklärung?« Er schüttelte leicht den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass du die brauchst. Vielmehr geht aus deinen Worten hervor, dass du zumindest ahnst, warum ich hier bin. Dennoch bin ich dir selbstverständlich etwas schuldig, denn ich sollte dich um Verzeihung dafür bitten, dass ich mich wie ein Is…, wie ein Idiot benommen habe. Aber ich tue nicht nur so, als würden wir zusammengehören, sondern habe erkannt, dass es so ist. Ich liebe dich und es hat einfach keinen Sinn, das leugnen zu wollen. Außerdem hatte ich den Eindruck …« Er brach ab und schien auf etwas zu lauschen.
    Peggy nutzte die Gelegenheit für eine Entgegnung. »Ist ja schön für dich, dass du das jetzt erkannt hast.« Ihre Stimme klang spöttisch, was zu ihrer Erleichterung das leichte Zittern darin überdeckte. Um nichts auf der Welt hätte sie zugegeben, wie wohl ihr seine Worte taten. Sie waren Balsam auf ihre Seele und sie wollte mehr davon. Aber für ihren Geschmack könnte Hunter ruhig ein bisschen mehr Reue zeigen. »Allerdings wüsste ich gern, was dich zu diesem Sinneswandel veranlasst hat. Woher weiß ich denn, dass du es dir morgen nicht wieder anders überlegst? Besonders zuverlässig scheinst du in dieser Hinsicht ja nicht zu sein. Außerdem solltest du mich vielleicht mal fragen, wie ich zu der Sache stehe. Es könnte doch sein, dass ich mich in Alex verliebt habe und gar nichts mehr von dir wissen will.«
    Er schaute sie an, ohne das kleinste bisschen verunsichert zu wirken. Sein linker Mundwinkel zog sich zu einem schrägen Grinsen nach oben. »Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du dich nicht in Alex verliebt hast, stünde ich jetzt nicht hier«, erwiderte er, so ruhig und selbstbewusst, dass es Peggy abermals die Sprache verschlug. Im selben Augenblick traf sie die Erkenntnis, dass er nicht bluffte. Er kannte ihre Gefühle tatsächlich, was sie zwar etwas bedenklich, gleichzeitig aber merkwürdigerweise beruhigend fand. Es war vollkommen sinnlos, ihm etwas vormachen zu wollen. Ihr blieb gar keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Doch gerade als sie überlegte, ob sie versöhnlichere Töne anschlagen sollte, schob er die nächste Frage nach, die sie mit der Wirkung eines kalten Wassergusses traf: »Können wir dieses Gespräch vielleicht in deiner Wohnung fortsetzen statt hier auf der Straße?«
    »Netter Versuch«, konterte sie bissig. »Aber ich werde dich sicher nicht in meine Wohnung lassen, solange du …«
    Weiter kam sie nicht. Von beiden Seiten näherten sich dunkle Gestalten und Peggy wurde recht unsanft ein Stück zurückgezogen, weg von der Tür und von Hunter, sodass sie auf einmal hinter einem schwarz gekleideten Kerl stand und auf dessen Rücken schaute. ›Ein Sondereinsatzkommando‹, durchfuhr es sie genau in dem Moment, als sich einer der Männer vernehmen ließ: »Hunter Gillespie? Ich verhafte Sie wegen des dringenden Tatverdachts, für die Tötung von Patrick Meyer verantwortlich zu sein. Sie können Ihren Anwalt verständigen. Sollten Sie keinen Anwalt haben, können wir Ihnen … ähm … behilflich sein.«
    Es entstand Unruhe in der Gruppe und obwohl Peggy nicht an dem breiten Rücken vor ihr vorbeischauen konnte, spürte sie deutlich, dass sich etwas verändert hatte.
    »Hier ist niemand, auf den die Beschreibung passt«, hörte sie einen der Polizisten sagen.
    »War wohl falscher Alarm«, meinte ein anderer.
    »Ich fand’s ja von vornherein merkwürdig. Warum sollte er nach Deutschland zurückkommen?«, warf ein dritter ein.
    »Na, der Liebe wegen.« Das war wieder der erste.
    Wie auf Kommando wandten sich alle Peggy zu, auch der Kerl, der direkt vor ihr gestanden hatte. So gelang es ihr nun, an ihm vorbei zu Hunter zu schauen. Oder besser gesagt, zu der Stelle, an der sich dieser bis gerade eben aufgehalten hatte. Doch jetzt war er spurlos verschwunden. Das war an sich schon merkwürdig genug. Aber noch erstaunlicher war es, dass sich offensichtlich keiner der Männer des Einsatzkommandos mehr daran erinnern konnte, ihn gesehen zu haben – nicht einmal derjenige, der ihn hatte festnehmen wollen – obwohl sie ihn doch eben erst umringt hatten.