Craigs Geständnis


LILY KONRAD
Craigs Geständnis
Die Wächter von Sisong – Band 3
»Sind die Narben das Abbild deiner Reue?«
»Nein, eher das Abbild meines Versagens.«
Ein toter Sisoner liegt auf einem Gepäckband am Frankfurter Flughafen. Der Dolch, der in seinem Rücken steckt, kommt der Frankfurter Polizei bekannt vor.
Der finstere Wächter Craig ist seit dem Tod seines Zwillingsbruders davon überzeugt, seinen Anspruch auf Leben verloren zu haben. Kein Risiko ist ihm zu hoch, kein Auftrag zu gewagt.
Doch dann sieht er sich plötzlich seiner bisher schwierigsten Aufgabe gegenüber. Denn der jungen Rena ist es gelungen, seine Schutzmauern zu überwinden und sein inneres Raubtier herauszufordern. Dadurch wird die Lage brenzlig – für sie genauso wie für ihn.
Craig versucht, sich selbst zu entkommen, indem er bis nach Australien flieht. Aber hat er eine Chance, seinen verbissenen Kampf zu gewinnen? Bewahrheitet sich seine Befürchtung, dass er tötet, was er liebt? Und welches Schicksal erwartet Rena, die anscheinend vor nichts Angst hat, nicht einmal vor ihm?
Im dritten Band der Urban Fantasy-Reihe „Die Wächter von Sisong“ treten Liebe und Hass, Vertrauen und Zweifel gegeneinander an und Craigs Leben steht mehr als einmal auf Messers Schneide.
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»Also zusammengefasst«, meinte Rena ungefähr eine Stunde später mit merkwürdiger Ruhe: »Wir sind keine Menschen, sondern menschenähnliche Wesen, die vom Planeten Sisong stammen. Das ist ein Exoplanet, an die 1400 Lichtjahre von der Erde entfernt, größer und wesentlich älter als diese. Er wird nicht mehr lange existieren, deshalb sind wir hier. Unser Volk wird von einer Hüterin und mehreren Wächtern geführt, zu denen auch Craig gehört. Wir können Gedanken lesen und uns per Gedankenkraft fortbewegen, sogar zu unserem Heimatplaneten und zurück. Leider gibt es aber noch ein weiteres Volk, das nach Untergang seines eigenen Planeten die Erde zu seinem Lebensraum erkoren hat. Das sind die Iszeroniten, die man an ihrem farblosen Äußeren und ihren stechenden Augen erkennen kann und die über ähnliche Fähigkeiten verfügen wie wir. Sie trachten uns nach dem Leben, weil wir ihnen im Weg sind, und haben begonnen junge Sisoner zu töten, bevor diese ihre übermenschlichen Fähigkeiten entwickeln können. Der junge Mann zum Beispiel, der am Flughafen ermordet wurde, war einer von uns. Habe ich das alles richtig verstanden?«
Anne hatte zu allem eifrig genickt, während Craig die Arme vor der Brust verschränkte und die Augen verengte. Er wartete auf eine heftige Reaktion, die auch prompt kam.
»Ihr seid doch völlig gaga!«, rief Rena empört. »Wer denkt sich denn so einen Schwachsinn aus? Ist das irgendein blödsinniger Psychotest oder habt ihr irgendwo eine Kamera versteckt? Ihr werdet doch nicht allen Ernstes erwarten, dass ich euch den Mist abnehme?« Sie war aufgesprungen und blitzte Anne und Craig nacheinander zornig an. »Das glaubt ihr doch alles selbst nicht! Die Wahrheit über meine Herkunft? Dass ich nicht lache! Ich kann euch sagen, was die Wahrheit über meine Herkunft ist: Meine Eltern sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als ich ein Jahr alt war. Ich saß nicht mit im Auto, denn zu diesem Zeitpunkt war ich in der Obhut von Anne und Matthias, den besten Freunden meiner leiblichen Eltern. Die beiden haben mich adoptiert und großgezogen, wofür ich ihnen von Herzen dankbar bin. Meine Heimat ist genau hier, denn in diesem Haus bin ich aufgewachsen. Ich bin nichts Besonderes, wenn man mal davon absieht, dass ich nicht fähig bin, mich zu verlieben.« In ihren Augen schwammen Tränen und ihre Unterlippe zitterte verdächtig.
»… und dass du seit Neuestem Gedanken lesen kannst«, ergänzte Craig, den ihr Gefühlsausbruch offensichtlich nicht im Geringsten beeindruckte. »Und das ist erst der Anfang, denn deine anderen sisonischen Fähigkeiten werden sich jetzt ebenfalls entwickeln.«
Sie stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen höhnischem Gelächter und lautem Schluchzen lag.
»Ach, fick dich doch ins Knie«, schrie sie ihn an. »Ich glaube dir kein Wort!«
Damit rannte sie aus dem Zimmer und gleich darauf hörte man, wie sie die Tür, die aus der Küche in den Garten führte, hinter sich ins Schloss warf. Craig glitt aus seinem Sessel.
»Bitte lass sie«, versuchte Anne, ihn zurückzuhalten. »Sie ist schon als Kind immer nach draußen gerannt, wenn sie Kummer hatte. Ihre alte Schaukel hängt noch im Apfelbaum. Dorthin wird sie sich zurückziehen und wieder reinkommen, wenn sie sich beruhigt hat.«
Aber Craig schüttelte den Kopf. »Früher war das Schlimmste, was ihr dabei passieren konnte, ein aufgeschlagenes Knie«, erklärte er. »Im Moment kann es sie das Leben kosten…