1001 Angst


LILY KONRAD
1001 Angst
Bislang hat die junge Lina ein ganz normales Leben geführt. Doch nun wird sie in einem dunklen Kellerraum gefangen gehalten, gequält, erniedrigt und auf bestialische Weise misshandelt. Wie ist Lina in diesen Keller geraten? Wer ist Sosso?
Und was kann ihr neuer Freund Jimmy für Lina tun?
Ein spannender Thriller der Autorin Lily Konrad, die Einfühlungsvermögen sowohl für das Opfer als auch in die Täterrolle beweist.
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Als ich aufwachte, war mir speiübel und mein Schädel dröhnte, als hätte ich die ganze Nacht gesoffen. Dabei konnte ich mich gar nicht an einen Abend in der Kneipe erinnern.
»Jonathan? Bist du da?«, wollte ich fragen, aber aus irgendeinem Grund konnte ich nicht sprechen. Es war dunkel um mich herum, ich hörte ein Motorengeräusch. Nur langsam kam ich zu mir, begann meine Umgebung wahrzunehmen. Das hier war nicht mein Schlafzimmer, auch die vertraute Silhouette meines Lebensgefährten war nirgendwo erkennbar. Gerade als ich feststellte, dass ich auf einer harten Unterlage lag, bekam ich einen Stoß von der Seite und rollte über den Boden. Das tat höllisch weh, besonders, weil ich meine Arme und Beine nicht bewegen konnte. Aber warum nicht?
Mein Kopf knallte gegen die Wand, so dass ich beinahe erneut das Bewusstsein verlor. Gleich darauf wurde ich in die entgegengesetzte Richtung geschleudert. Ich wollte schreien, aber auch das ging nicht. Zum Glück stieß ich nicht an die gegenüberliegende Wand, sondern blieb vorher liegen. Eine kleine Verschnaufpause war mir vergönnt, in der ich mich sortieren konnte.
Als ich endlich ganz wach war, stellte ich fest, dass ich geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt war. Ich lag auf der Ladefläche eines Lieferwagens, der sich in voller Fahrt befand. Wie war ich bloß hierhergekommen? Wo war ich gewesen, bevor ich hier gelandet war? Ich versuchte mein Möglichstes, mich zu erinnern.
Doch die nächste Kurve kam und schon wieder rollte ich haltlos gegen die Wand. Wieder diese tierischen Schmerzen. An den Händen, den Schultern, die heftig gegen die unnatürliche Haltung zu protestieren schienen, in die sie gezwungen wurden. Ich wollte mich irgendwie am Untergrund festklammern, doch meine Hände waren fest verschnürt. Dann zerrte ich an meinen Fesseln, die Angst vor den Schmerzen beim Hin- und Herrollen trieb mich an. Ich bäumte mich auf, versuchte meine Handgelenke aus den Stricken zu winden, aber das gelang nicht. Meine Fesseln gaben nicht nach, nicht im Geringsten. Stattdessen schnitten sie tief in meine Haut ein. Wer auch immer meine Gliedmaßen zusammengebunden hatte, wusste, wie man so etwas machte. In mir wuchs die Erkenntnis, dass ich gerade entführt wurde.
Das ließ meine Angst anschwellen. Nun fürchtete ich mich nicht mehr nur vor den Qualen, die durch das Herumwirbeln auf der Ladefläche entstanden. Wer war mein Entführer? Fuhr er den Lieferwagen? Wohin brachte er mich und was hatte er mit mir vor?
Ich bemühte mich verzweifelt, mich zu beruhigen und klare Gedanken zu fassen. Ich konnte mich vage erinnern, dass mir ein hellgrauer Lieferwagen auf dem Krankenhaus-Parkplatz aufgefallen war, als ich nach dem Spätdienst zu meinem Auto gegangen war. Tagsüber hatten zwar meistens mehrere solcher Fahrzeuge da gestanden, aber nicht abends um 22 Uhr. Ich hatte an diesem Lieferwagen vorbei gemusst, auch das wusste ich noch. Aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, was dann passiert war. Jedenfalls war ich nicht bei meinem Auto angekommen, sondern stattdessen auf dieser Ladefläche gelandet. War ich nur zufällig zur passenden Zeit am falschen Ort gewesen oder hatte der Entführer es gezielt auf mich abgesehen?
Um Lösegeld konnte es jedenfalls nicht gehen. Weder meine Eltern noch Jonathan verfügten über eine nennenswerte Geldsumme. Doch vielleicht wusste der Entführer das nicht? Oder er hatte mich verwechselt? Sollte das der Fall sein, würde er seinen Irrtum sicher bald bemerken. Spätestens, wenn er Lösegeldforderungen stellte, die nicht erfüllt wurden.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie er reagieren würde, wenn er herausfand, dass meine Eltern keinen größeren Geldbetrag aufbringen konnten. Wahrscheinlich würde er die Wut über seine Enttäuschung an mir auslassen, mich vielleicht sogar umbringen.
Wieder eine Kurve, die mich quer durch den Wagen schleuderte. Hilflos musste ich es geschehen lassen. Dabei steigerte sich meine Angst zur Panik. Was immer mich am Ziel dieser Fahrt erwartete, es würde mit Sicherheit noch weitaus schlimmer sein als meine gegenwärtige Lage. Wie eine Irre riss ich an den Stricken, mit denen ich gefesselt war. Natürlich umsonst.
Dann hielt der Wagen an, der Motor wurde ausgeschaltet.
Stille.
Mit weit aufgerissenen Augen lag ich da und lauschte. Doch zunächst hörte ich nur das Blut in meinen Ohren rauschen, während mein Herz so heftig schlug, dass ich es in meiner Brust hämmern spürte.